Reinhard Müller: „Was oder Wer ist Gott?“
Eine Sammlung von Gebrauchs-Texten aus Kirche und Gesellschaft –
vor und nach der Wende.
VIADUKT-Verlag Görlitz 2020, 379 Seiten, 19,90€, ISBN 978-3-929872-85-9
(über Buchhandel, aber nicht über Großhandel, und direkt beim Verlag)
Reinhard Müller hat mit seinem Buch mit verschiedenen Texten aus den Jahren 1972 -2020 ein wichtiges Werk der Zeitgeschichte vor und nach der Wende in Ostdeutschland vorgelegt. Der größte Teil des Buches enthält Predigten, die Müller als Gemeindepfarrer in der evangelischen Kirche in Weißwasser/Oberlausitz vorgetragen hat. In diesen Predigten wird eine Nähe zu Dietrich Bonhoeffer deutlich, indem der Nachfolge-Gedanke bzw. Bonhoeffers Leitbegriff der Verantwortung eine große Rolle spielt. Diese Verantwortung – in Müllers Predigten als aktive Seite eines Christen bezeichnet – wird aktuell und konkret benannt als Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung und von den Christenmenschen bzw. der Gemeinde vor Ort eingefordert.
Es ist spannend zu lesen, wie es Reinhard Müller in seinen Predigten gelingt, diese aktive Seite eines Christen mit der passiven Seite, d.h. dem Wunsch nach Geborgenheit, zu verbinden.
Noch ein weiterer wichtiger Aspekt macht Müllers Buch sehr lesenswert. Die aktuellen Bezüge zu zeitgeschichtlichen Ereignissen lassen den Leser eintauchen in die kirchliche und gesellschaftliche Welt Ostdeutschlands vor und nach der Wende. Das gelingt dem Autor neben seinen Predigten auch in diversen Zeitungsartikeln, Aufsätzen und Reden.
Wie der Titel des Buches andeutet, ist Müllers Hauptthema die Gottesfrage, die er in seinem Buch in unterschiedlicher Weise expliziert.
Beeindruckend ist, wie der Autor Bonhoeffers Forderung nach einer armen Kirche sowie nach mündigem Christsein mit verschiedenen Erklärungen für einen innerkirchlichem Diskurs umzusetzen versucht.
Nicht nur als Prediger, sondern auch als Theologe lässt Müller die LeserInnen teilhaben an seinen Überlegungen über Topoi in Bonhoeffers Gefängnisbriefen wie „religionsloses Christentum“, „Arkandisziplin“ und „nicht-religiöse Interpretation biblischer Begriffe“. Der Autor deutet die „Arkandisziplin“ in einer interessanten neuen Weise. Diese Interpretation impliziert, die Kirche nicht vornehmlich als ein Museum für alte Sprache, alte Dogmen, alte Traditionen, sondern als eine Kirche, die „für andere da ist“, zu verstehen.
Alles in allem gelingt es Reinhard Müller, mit seinen Texten nicht nur Christen, sondern auch Atheisten, Humanisten und Demokraten anzusprechen!
Dr. Beate Schutte
Der Autor Reinhold Müller war bis zu seinem Ruhestand 35 Jahre Gemeindepfarrer in Weißwasser/Oberlausitz. Er ist Vorsitzender des Dietrich-Bonhoeffer-Vereins.